Steckbrief- Sortenvielfalt auf der Streuobstwiese

Der Streuobstbau ist eine modellhaft naturverträgliche Wirtschaftsweise und wird oft als Hochstamm- Obstbau ohne Einsatz synthetischer Behandlungsmittel (Pestizide, Dünger) beschrieben. Neben der Eigenverwertung kommt in letzter Zeit der Streuobstvermarktung in Form von Tafelobst, Saft, Most, Schnaps und ähnlichem große Bedeutung zu. Grundlage sind insbesondere eine große Vielfalt (mehrere tausend) an vor allem Apfel- und Birnensorten, aber auch Kirschen, Walnüssen, Kastanien, Zwetschken Pfirsichen und vielem mehr. Allein die Apfelsortenvielfalt in Österreich wird auf über 3000 geschätzt, wobei es sich hierbei nur um bekannten Sorten handelt. Wenn man die sehr lokalen Sorten, die zum Beispiel nur noch auf ein-zwei Bauernhöfen existieren, aufspüren und erfassen würde, dann wäre diese Zahl vermutlich noch weitaus größer. Relativ ernüchternd ist dazu die Zahl jener Sorten, die man in Supermarktregalen findet. Die Neuzüchtungen des modernen Obstbaus sind größtenteils auf drei bis fünf Muttersorten zurückzuführen. Hierzu zählen die Sorten Golden Delicious, Cox Orange und Jonathan. Diese Sorten sind als solche nicht von vornherein schlechter zu bewerten als die sogenannten „Alten Sorten“, vor allem da sie selbst auch schon einiges „am Buckel“ haben. Der Golden Delicious etwa, den man früher unter dem Namen Gelber Köstlicher kannte, ist mindestens 140 Jahre alt. Die Vorteile dieser Sorten lagen einerseits in Gründen leichterer Vermarktbarkeit, den Bedürfnissen des überregional agierenden Lebensmittelhandels (Transportfestigkeit, Lagerbeständigkeit, einheitliche Fruchtform etc.) sowie andererseits in anbautechnischen Vorteilen (mittelstarker Wuchs, früher Ertrag etc.). Mit diesen „Stammeltern“ und der damit entstandenen genetischen Verarmung, haben jedoch gleichzeitig gravierende Vitalitätsprobleme in den modernen Erwerbsobstbau Einzug gehalten. Denn da die meisten Sorten gleiche „Eltern-“ oder „Großelternsorten“ haben, ist oft die gleiche Anfälligkeit für Krankheiten vorzufinden.

Warum alte Obstsorten?
Die vielen alten Sorten der Streuobstwiesen entstanden durch eine vielfältige Herkunft und große genetische Vielfalt, was einen sehr positiven Effekt auf Frucht- und Baumeigenschaften sowie Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge hat. Ein weiterer bisher noch wenig bekannter Vorteil ist, dass – im Gegensatz zu den üblichen Marktobstsorten – zahlreiche alte Sorten (z.B. Berner Rosenapfel, Notarisapfel, Goldparmäne u.a.m.) von Allergikern durchaus vertragen werden. Um genau diese Themen neu zu beleuchten, beschäftigen sich in Österreich das Bundesamt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg sowie die BOKU und einige weitere Institute mit alten, vergessenen, wiederentdeckten, aber auch neuen Sorten. Gemeinsam mit staatliche Genbanken und Vereinen (Arche Noah) kümmern sich diese Institutionen auch um den Erhalt dieser Sorten. Damit seltene Sorten aber dauerhaft überleben, müssen sie angepflanzt und vor allem gegessen werden. Hierbei spielen Bauernmärkte eine entscheidende Rolle. Den Steirischen Maschanzker etwa findet man dort bereits vereinzelt. Diese Sorte, die zu den ältesten überhaupt zählt, ist recht robust, schmeckt süß und hat eine lange Lagerfähigkeit, steht den in Supermärkten handelsüblichen Sorten um nichts nach.

Ein Stück Kulturgeschichte
Mit jeder ausgestorbenen Sorte geht zugleich ein Stück unserer Kulturgeschichte verloren. Die Erhaltung alter Sorten als Zeugen der früheren Kultur sollte für die Ortsgeschichte im gleichen Rang stehen wie beispielsweise die Erhaltung bedeutender Kulturdenkmäler. Die Vielfalt an Obstsorten bringt auch eine Vielzahl an Verwertungsmöglichkeiten mit sich. Manche Sorten sind speziell für Kuchen, andere besonders als Lageräpfel, zum Verschnapsen, als Dörrobst, zur Saftgewinnung oder – wie z.B. die Champagner-Bratbirne – für hochwertige Schaumweine geeignet. Eine Vielzahl an Obstsorten bringt daher eine Vielzahl an Genussmöglichkeiten mit sich.

Literaturquellen:
• Bannier, H.-J. (2013): Genetische Verarmung bei modernen Apfelsorten – Ein Plädoyer für die Wertschätzung und züchterische Nutzung vitaler alter Sorten IN: Arche Noah-Magazin Nov 2013. Verein Arche Noah, Schiltern, S. 16-17
• Maurer, J., Kajtna, B., Heistinger, A., Arche Noah (2016): Handbuch Bio-Obst. Innsbruck, Löwenzahn, 527 S.
• NABU, Angersbach,R., Rösler, M. (2017): NABU Info- Hauptsortiment für den Streuobstbau. Berlin, 8 S.

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