Steckbrief – Flechten:


Flechten sind eine Besonderheit in der Natur, denn sie sind keine einheitlichen Organismen (sie sind keine Pflanzen), sondern sie bestehen aus einer Verbindung zwischen Pilz und einer oder mehrerer Photosynthese betreibender Partner. Das können Algen oder Cyanobakterien sein. Diese, Symbiose genannte Lebensgemeinschaft macht es den Flechten möglich, in extreme Gebiete vorzudringen in denen der Pilz oder die Alge alleine nicht überleben könnte. Die Pilzarten der Flechten würden ohne Partner in der Natur nicht vorkommen und sind somit auf die Zusammenarbeit angewiesen. Die Algen wiederum können sehr wohl auch alleine als grünliche oder orange gefärbte Überzüge auf Bäumen oder Gestein vorkommen (Cyanobakterien z.B. sieht man beim Wandern an Felswänden im Gebirge, sie bilden an den Wasserablaufrinnen die sogenannten Tintenstriche). Im Gegensatz zu Pflanzen haben Flechten keine Wurzeln um sich mit Nährstoffen zu versorgen, daher sind Flechten auf unseren Bäumen auch keine Parasiten und schädigen daher diese in keinster Weise. Sobald die Flechte einen gewissen Feuchtigkeits- bzw. Quellungsgrad erreicht hat, beginnt sie mit dem Stoffwechsel. Das geschieht das ganze Jahr über, da Flechten auch im Winter aktiv sind. Das Wasser und die Nährstoffe werden dabei über den gesamten Körper aufgenommen. Im trockenen Zustand können sie sehr heiße (teils über 70°C) und kalte (bis -196°C) Temperaturen überstehen. Da Flechten die schützende Wachsschicht und die regulierenden Spaltöffnungen der Pflanzenblätter fehlt, sind sie sehr empfindlich gegenüber Schadstoffen in der Luft. Von daher rührt auch ihre Rolle als Bioindikator (Zeigerorganismen), d.h. Ihr Auftreten oder ihre Abwesenheit an bestimmten Standorten gibt Aufschluss über vorherrschende Umweltbedingungen. Da besonders das Zusammenleben zwischen Pilz und Alge von Luftverunreinigungen beeinflusst wird, sind Flechten ein klarer Zeiger für die Luftqualität.
Weltweit gibt es rund 25.000 Flechtenarten. In Mitteleuropa kommen davon etwa 2000 Arten vor, dabei unterscheidet man Krusten-,.Laub/Blatt-, Strauch- und Gallertflechten.
Himmelsbrot oder Gift?
Die älteste Verwendung mancher Flechten ist jene als Nahrungsmittel, so wird in manchen Fachkreisen angenommen, dass es sich beim biblischen Manna (auch Himmelsbrot genannt) um eine Wüstenflechte (Sphaerothallia esculenta) handeln könnte. Auf jeden Fall wurden manche Flechten in Notzeiten gekocht oder als Mehlzusatz verwendet. Auch so mancher Entdecker oder Abenteurer wurde durch die Flechten vor dem Tod durch Verhungern gerettet. Im Gegensatz dazu wurden früher aber auch die Inhaltsstoffe so mancher giftiger Flechtenarten genutzt, wie zum Beispiel die Wolfsflechte, die als giftige Ergänzung in Wolfs- und Fuchsködern eingesetzt wurde.
Flechten enthalten eine Fülle von Inhaltstoffen und wurden deshalb schon seit dem Altertum von den Menschen als Heilmittel verwendet. Dieser biologische Reichtum macht die Flechten auch heute noch für die Pharmaindustrie äußerst interessant. Das ist wiederum ein Beispiel für eine sogenannte Ökosystemdienstleistung, ein Beitrag der Natur zum Wohlergehen der Menschen.

Literaturquelle:
WUNDER, B. (2012): Flechten in Linz –Fabelhafte Doppelwesen zwischen Autos und grünen Hinterhöfen. In: ÖKO·L 34/1 (2012), Linz, S. 3-8.
KIRSCHBAUM, U. & WIRTH, V. (2010): Flechten erkennen ‐ Luftgüte bestimmen. Wiesbaden: E. Ulmer. 204 pp.

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